Ciao (GE)
http://www.ciao.com/opinion_view.php/OpinionId/2455228/SortOrder/0/sortedReverse/0

Liebes Tagebuch!

Es grüßt dich der Logar. Heute war ein toller Tag. Ich bin den ganzen Tag im Wald rumgelaufen und hab Skirrel geredet und Blödsinn gemacht. Skirrel ist mein neuer Freund. Zusammen sind wir im Fluss gebadet und haben goldene Ringe mit unleserlichen Schriftzeichen drauf gesucht. Leider haben wir nur einen alten Backofen gefunden. Das war aber auch ganz lustig. Ich hab Skirrel nämlich da drin eingesperrt und wieder ins Wasser geworfen und geguckt, wie lange Skirrel braucht, um wieder herauszukommen. Nach 2 Minuten schwamm dann plötzlich etwas mit dem Kopf im Wasser im Fluss herum. Es sah aus wie ein Elf. War’s aber nicht, es war Skirrel. Skirrel war übrigens ziemlich sauer. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, ihn dort einzusperren. Übrigens hab ich an diesem Tag auch Axandria getroffen. Sie war ganz nett. Wir...“

Hoppla! Mann, jetzt habt ihr mich aber erwischt... *ingrundundbodenschäm*

Doch in diesem Fall ist das durchaus nicht schlimm, denn wir (ja, WIR! Gebt’s doch zu, Leute, ihr habt das genauso gierig in euch reingeschaufelt! Und mir auch noch Vorwürfe machen! Pah!) schnüffeln nicht im Tagebuch irgendeiner 12-jährigen, sondern dem Tagebuch von Logar, dem Magier. Dass den jemand kennt, glaube ich kaum, denn Logar ist eine Figur aus „Earthdawn“, einem Rollenspiel, über das sich bislang hauptsächlich Ciao-Mitglied „scorpio3“ ausgelassen hat. Darin geht es um eine Welt, in der...ach, wir machen das auf die traditionelle Art.

< Donner >

< Paukenschlag >

< ruhige Erzählstimme, im Hintergrund prasselndes Feuer > „Es war einmal eine Welt namens...Barsaive. Eine Welt voller Magie. Dort lebten Wesen wie Zwerge oder Menschen (!) und besaßen ein strahlendes Königreich. Doch eines Tages...

< Husten >

Doch eines Tages...kam die Dunkelheit über Barsaive. (Die Word-Korrektur zeigt mir übrigens „Barseife“ als Verbesserungsvorschlag an...*g*) Im Königreich, in dem bisher alles und die wichtigsten Dinge (Hä?) mit Magie betrieben wurden, stieg der Magiepegel (Magiepegel?) ins Unermessliche. Dadurch wurden magische Rassen wie Orks, Trolle und Elfen (böööse!) erschaffen - und Barsaive näherte sich seinem Untergang.

Dämonen kamen aus anderen Dimensionen, und die Bevölkerung konnte sich nur retten, in dem sie Zufluchtsorte baute, an denen kein böses Wesen (kein Mensch, also?) eindringen konnte - die Kaers. Dort hielten sich die Menschen versteckt - 500 Jahre lang.

Dann sank der Magiepegel, und als erstes kehrten die Zwerge zurück. Sie holten die anderen aus ihren Verstecken, und gemeinsam bauten sie alles wieder auf. Barsaive erstrahlte in neuem Glanz...

< Husten >

< nochmaliges Husten >

< ... >

< Räuspern >

...in neuem Glanz, ja. Alles wurde wieder aufgebaut: Die goldene Stadt Travar und Barterstown, das große Handelszentrum des Königreiches standen prächtiger als zuvor da. Es dauerte 100 Jahre, es wieder aufzubauen...“

...und in dieser Zeit segelt ein Magier namens Logar mit seinem Freund S’kirrel auf dem Schlangenfluss und fischt eine Elfe namens Axandria raus, in die Logar sich verliebt; das alles erzählt Song 2 (von dieser CD, nicht von Blur). Und so geht’s grad weiter: Irgendso ein Heini namens Iostros, ein finsterer Bursche, will Barsaive auf Teufel komm raus - im wahrsten Sinne des Wortes, denn da steht er schon - wieder in die Dunkelheit treiben. Das erfahren Logar & seine Company aus dem Buch eines alten Barden namens Ti’An, leider ist der Kerl inzwischen tot. Und der Rest der CD erzählt, wie sie erst mal durch das ganze Königreich reichen, äh, reisen, und am Ende Iostro...nein, das sag ich nicht. Wir woll’n ja ein bisschen Spannung hier, was? ;-)

All das wird im Booklet erzählt (das, anders als das farbenfrohe Cover, ganz in S/W ist). Während das Intro die Vorgeschichte praktisch vorliest, steht bei jedem Song ein entsprechender Erzählabschnitt über den Texten.

Ihr werdet es vielleicht dem CD-Titel entnehmen: Logar’s Diary ist eine Konzeptband, d.h. zumindest unter diesem Namen werden alle ihre Alben irgendwas mit der Story zu tun haben. „werden“, ja, denn bis jetzt gibt’s meines Wissens nach nur die eine - was daran liegt, dass die 5 Berliner eine Undergroundband sind und sich vom Bekanntheitsgrad her mit Circle Of Grief messen lassen kann... verantwortlich dafür sind:

Christoph Uhl - Lead & Rhythm Guitar

Steven Schubert (Ich frag’ mich, ob der echt so heißt…?) - Rh-Guitar

Hagen Hirschmann - Voice

Felix Gretzer - Bass

Michael Kwandt - Keyboards

Und wer macht die Drums? Tja, die gibt es nicht. Ganz recht, Leute: Die Arbeit erledigt ein Drumcomputer - allerdings glaube ich kaum, dass das der Grund ist, warum der Sound etwas verwaschen klingt; das geht so ziemlich jeder Newcomerband ohne Twilight Hall oder Tägtgren Studios am Anfang so. Und daran gemessen, haben die Jungs produktionstechnisch sogar einsame Spitze geleistet: So schlimm hört es sich nämlich bei Weitem nicht an, im Gegenteil...doch lasset uns nun mit den Songs beginnen!

(Damit auch Otto Normalrunterscroller meinen Bericht wenigstens teilweise lesen, habe ich mich bei den Songbeschreibungen an Länge übrigens etwas zurückgehalten...)

1 EARTHDAWN 2:24

Naja, das Intro halt. Mit einer Stimme, die klingt als hätte man Gandalf den Grauen nach einer nächtlichen Party mit einer Stunde Schlaf danach gerade aus dem Bett geholt - klingt gar nicht mal schlecht, wenn ihr mich fragt. Sollte man öfter machen :-) Naja, und nun erfahren wir eben so die ganze Vorgeschichte, die ich euch ja oben schon *nachobenschiel* breit und fett dargelegt hab. Dazwischen gibt’s passende Geräusche wie - äh - das Quaken eines Frosches bei der Ankunft des Bösen. Naja. Gehen wir also über zum eigentlichen Beginn der CD:

2 LONELY ON THE SERPENT RIVER 4:49

Flotte Gitarren und fette Drums sind hier nicht die einzigen, die den Song antreiben, denn treiben tut noch jemand anders: Axandria, und zwar nicht auf dem Logar - ähem! - sondern auf dem Fluss. Der Song handelt im Grunde nur vom Fund der schönen Elfin durch die beiden Zauberer, doch allein mit dem fetten Groove zeigt die Band, dass Berliner nicht nur eine leckere Marmeladenfüllung zu bieten haben, sondern auch vom musikalischen Level her einiges drauf haben. Die Riffs orientieren sich meist am verspielten Fantasy-Hauptthema, aber bei Weitem nicht immer; und ein bisschen Helloween-Gekreische und brummende Chöre sorgen hier mächtig für Abwechslung. Ein Opener, der sich unwiederbringlich im Ohr festsaugt wahrlich Lust auf mehr macht!

9/10

3 TRAVELLING TO THE BLOOD WOODS 4:16

Der Stil des Openers (ist zwar nur der 2. Track, aber da niemand anders die Tür aufmacht, kommt als Opener wohl nur er in Frage!) wird hier fortgeführt, der Stil ist vielleicht sogar noch etwas mittelalterlicher. Zwei-Stimmen-Gesang, eine temporeiche Bridge (ob da Christo, der Gebäudeverhüller, am Werk war?) und ein chorlastiger Refrain machen diesen Song irgendwie zu etwas Besonderem...

8/10

4 TI’AN - THE TROUBADOUR 3:30

Nach den bombastischen Anfängen kommt nun eine erstklassige Ballade daher, die vor allem mit einer eigenständigen Stimme und einem tragischen Refrain, der aber zu keiner Zeit übertrieben wird, überzeugt. Nicht in der Truhe, sondern der Ruhe liegt die Kraft - man heult nicht unbedingt gleich los, möchte es aber, wenn man die Geschichte von Ti’An hört! Einsame Spitze!

10/10

5 DEMON IN THE KAER 4:06

Ihr werdet’s nicht glauben, aber jetzt wird’s dämonisch. Gegrowlt wird zwar leider nicht (fast), dafür erinnert der Sänger urplötzlich an Bruce Dickinson, keine Ahnung, wieso. Ein schön böser Bass unterlegt den ganzen Song, bis man zum - herrlich neuartigen - Refrain kommt:

„Dark - dust

In light we trust

Don’t you see the darkness you wear

There’s a demon in the Kaer”

Dabei stört nur ein wenig, dass Hagen das Wort „Demon“ eher wie „Diemönn“ ausspricht...ja, und in der zweiten Hälfte hat sogar der growlende Dämon sein Debut. Ganz schön growslich, ja. Und am Ende muss man sich dann doch noch zurückhalten, nicht zu grinsen: Im Chor wird noch mal eine Schlusszeile bis in die höchsten Tonlagen gequäkt. *trotzdemgrins*

8/10

6 TRAVAR - THE GOLDEN CITY 3:23

Trompetende Trompeten trompeten erstmal, und dann macht Hagen Hirschmann seinem Job als Eunuchensänger alle Ehre. Der Song weist starke Ähnlichkeiten mit Song 2 und 3 auf, hat aber einen eigenen Folk-Einschnitt, der noch einmal zum mitnicken (Achtung: auf keinen Fall jedoch zum mit-einnicken) auffordert.

7/10

7 HOME OF THE TRADERS - BARTERSTOWN 5:18

Cembalos und Flöten verleihen dem Song ein ganz eigenes Flair, dagegen findet man leider kaum ein extendives Gitarrenriff (eine Ausnahme!), bei dem nicht entweder der Sänger oder das Cembalo sofort dazwischenfunkt. Und so lässt man das Ganze dann auch in schön mittelalterlichen Klängen ausklingen. Irgendwie ein Anspieltipp...

8,7/10

8 KING’S HALL 5:05

Na so was, irgendwie vermisse ich da ein Wort. Findet ihr nicht, „The Kings Hall“ klingt eindeutig besser? Nicht? Gut, lassen wir ihn so... jedenfalls verändert sich am Stil kaum etwas, nur dass alles etwas rhythmisch-treibender (nicht schon wieder!) wird. Der Refrain ist nett, aber an sich nichts Besonderes, und gerade als der Song droht, in Mittelmäßigkeit zu versinken, naht ein strahlender Retter in Form eines grandiosen, ellenlangen Multi-Instrumental-Solos heran und besiegt jede Form von Langeweile mit Hilfe seines unglaublichen Einfallsreichtums mit links! Dass er Linkshänder war, tut dabei nur wenig zur Sache...

8,5/10

9 IOSTROS 5:20

Hoppla, den kennen wir doch! Naja, selbst wer meine Geschichte vorher nicht gelesen hat, dem dürfte dieser Herr doch zumindest aus dem CD-Titel bekannt sein... Wie dem auch sei, wird der Bösewicht-Soundtrack wird von einem zweiminütigen Gitarre-Schlagzeug-Part eingeleitet (bei dem die Drums übrigens wirklich herausragend gesetzt sind!), welcher eine verspielte Melodie bringt, die aber nichtsdestoweniger (was für ein Wort) bedrohlich wirkt. So klingt der kleine Bruder von Sauron.

„There’s someone who’s despising mankind

There’s someone here preaching the dark

But noone cares - they’re all so blind

Seeking justice we will set a mark

Magic surrounds us”

Wobei „Magic surrounds us“ einen ganz und gar fremdartig-orientalischen, düsteren Part darstellt, was die nötige Portion Genialität in diesen Song bringt, abgelöst von einem eher powermetallischem Refrain. Der schneidende Bass zieht sich den ganzen Song durch und sorgt für ’ne heavy atmosphere...

10/10

Ist vielleicht sogar ein wenig hochgegriffen...

9,5/10

;-)

10 MY LOVE STILL EXISTS

Hoppla - und plötzlich ist die Story zu Ende. Iostros töt, das Böse besiegt, und alles ist wieder gut. Alles? Nein, ein kleines Dorf an der gallischen Atlantikküste...ach, was rede ich da, dieses tragischee und vollkommen geniale Stück hier erfüllt alle Ansprüche, die man an angehende Bombast-Balladenmetaller nur stellen kann: Vielseitigkeit, Riff-Freudigkeit, ein heulender Refrain (der WIRKLICH geheult wird) und...und einen schneidenden Bass, der nicht so ganz ins Bild passt. Nichtsdestotrotz (schon wieder so’n Wort, was ist denn das mit den Wörtern heute...) ist es ein absolut geiler letzter Song. Letzter Song? Jedenfalls der letzte, in dem gesungen wird.

10/10 Diesmal verdient.

Jaa!

11 DÉJÀ VU

Abgesehen vom Titel, den die Herren sich ruhig hätten sparen können...*grummel*...setzt der Ausklang dieses Albums ähnlich wie Track 10 auf eine tragische Stimmung; jedoch blickt (wie wir im kleinen Textfeld darüber erfahren) Logar hier bereits aus einer fernen Zukunft auf die Geschichte zurück, weshalb das ganze nicht ganz so traurig, dafür umso herzergreifender ist, z.B. wenn Geigen noch mal den Chorus von „Ti’An...“ spielen. Haaaaach.

10/10

Woooosch. Aus. Wow. Wir liegen flach 10 Sekunden da, dann erheben wir uns - gaaanz langsam - und drücken entschlossen auf „Play“. Irgendwie ist da der Drang, alles noch mal hören zu müssen, weil einem irgendwas entgangen ist...

FAZIT

Die Jungs haben’s drauf, das merkt man - und als Ergebnis haben sie ein Fantasymetaldebut erster Klasse rausgebracht. Wer das Teil haben möchte, wendet sich entweder an den Metal Merchant Katalog („Hallo Katalögi, hätt gern mal die CD hier! Was sagst du dazu?“) oder an Bandmitglied Christoph himself: Shaddowfox@t-online.de. 11,25 € kostete das Teil, glaube ich, beim metallischen Merkantilismus; privat ist es für etwa 10 € zu haben.

Det woar’s! :-)

Bis zum näxschtn Mahl...

- Review by Mirghi

BACK