Mystic Circle

Mystic Circle sind eine, nicht nur in meinem Freundeskreis, sehr umstrittene Band. Als Verräter des Black Metal werden sie bezeichnet, in der Hafenbahn flogen ihnen Plastikbecher um die Ohren... kurz: Everybody's Darling sind sie nicht gerade.
Trotz oder gerade deswegen sagte ich zu, als mir Stefan von True Music ein Interview mit der Band anbot, und nahm mir vor ausführlich mit dem Sänger Beelzebub (bürgerlich: Mark - klingt doch gleich viel harmloser, oder?) über die Stellung Mystic Circles in der deutschen Black Metal-Szene zu sprechen. Dumm nur, dass dieser mich am Anfang des Gespräches mit einem 20minüten Zeitlimit überraschte, weswegen die Ausführlichkeit baden ging. Einige Tage später konnte mit Stefan allerdings ein weiteres Interview mit dem Gitarristen, Ezpharess (bürgerlich: Stefan - auch nicht gerade die Bosheit in Person) vermitteln, in dessen gut zweistündigem Verlauf wir uns sehr intensiv über Mystic Circle unterhalten konnten.

Beginnen wir mit dem Interview mit Mark: Hi, wie geht's dir?

Och, ganz gut. Wir sind letzte Woche von der Tour zurückgekommen und waren ein bisschen müde, aber ich hab heut gleich vom Stefan Treu zehn oder zwölf Interviews aufgedrückt bekommen, deswegen können wir am besten gleich anfangen, oder? Ich bin schon den ganzen Tag am Labern...

Na gut, soviel also zu meinen ganzen schönen Fragen, kürzen wir das ganze eben spontan auf 20 Minuten zusammen... wieso der Labelwechsel von Last Episode zu Massacre?

Last Episode haben nichts mehr für uns gemacht nachdem wir die ‚Kriegsgötter II' rausgebracht haben. Der Vertraf lief dann aus, also haben wir uns nach einem neuen Label umgeschaut. Es gab einige Angebote, von denen Massacre das beste gemacht haben. Wir brauchen auch einfach ein Label, denn wir jobben alle nur noch nebenbei und leben praktisch für Mystic Circle, aber noch nicht von Mystic Circle. Es sollte ein Label sein mit Leuten, hinter denen wir stehen können. Massacre ist ja ein Metal-Label und ich finde es ist noch nicht so von Buisness-Leuten überfüllt wie andere Labels.

Sagen wir einfach mal Nuclear Blast?

Ähm... ja, hehe. Namen wollen wir ja keine nennen. Nuclear Blast sind schon ein gutes Label, aber wir sind zu klein für Nuclear Blast, da gehen wir unter, ganz klar.

Dann lass uns mal zur neuen Platte kommen: Wo unterscheidet sich ‚The Great Beast' von euren anderen Sachen?

Die neue Platte ist in allen Belangen... na ja, besser kann man nicht sagen. Sie ist besser produziert, die Songs sind besser ausgereift und mehr metal-bezogen. Wir haben viel mehr unsere Heavy Metal-Roots reingbracht, natürlich im Rahmen unseres Stils. Die Songs sind einfacher strukturiert, weiter als bei der ‚Infernal Satanic Verses' wollten wir auch nicht mehr gehen. Das wäre zu konfus geworden.

Wie kam es denn zu eurem Stilwechsel?

Eigentlich haben wir den Stil nicht geändert, sondern sind zu unseren Anfängen zurückgegangen. Wenn du dir das erste Demo, ‚Dark Passions', anhörst... das war auch melodischer. Wir haben das Tempo runtergeschraubt, weil wir soviel live gespielt haben und gemerkt haben, dass die Midtempo-Parts live mehr Druck machen. Ich finde aber trotzdem, dass ‚Great Beast' unser härtestes Album bis jetzt ist.

Naja, da muss ich gestehen, dass ich in eure beiden Vorwerke zwar jeweils kurz reingehört habe, ‚Great Beast' jedoch meine erste richtige Scheibe von euch ist... mit den Sachen vor der ‚Drachenblut' bin ich sowieso nicht vertraut. Wie lange spielt der Stefan denn schon bei euch?

Oh Scheisse, das weiss ich gar nicht mehr... drei Jahre? Er ist bei der ‚Drachenblut' eingestiegen.

Kann es an ihm liegen, weil er hat ja den absoluten 80er-Background?

Nö, ich bin auch mit Heavy Metal aufgewachsen und wenn du es mit dem ersten Demo vergleichst, sind wir einfach zurückgegangen. Es hat eben jeder seine Vorstellungen eingebracht, wir haben gesagt, wir wollen die Produktion besser machen, wir wollen die Gitarren fetter machen und das Heavy Metal spiegelt sich ja auch in den Solos wieder. Ich bezeichne unseren Stil aber keinesfalls als Heavy Metal, wir nennen uns Dark Satanic Metal, wir nutzen jeden Stil in der Musik von Black bis Death Metal.

Nimm mal an, du würdest beim Rock Hard oder beim Wargods of Metal arbeiten und müsstest deine Platte bewerten. Wieviele Punkte kriegt ‚Great Beast'?

(lacht sich erst mal gut einen ab) Das kann ich dir nicht sagen, ich bin ein schlechter Kritiker. Die Leute kriegen 60 Platten pro Monat auf den Tisch, das ist schwer zu bewerten. Ich gehe sowieso nicht allzu viel nach Kritiken, es spricht sich rum und letztendlich entscheiden die Fans. Plattenkritiken sind auch zweischneidig, du weißt ja auch, dass viele Magazine korrupt sind, dass da Plattenfirmen hintendran sind. Ich bin froh, dass ich kein Kritiker bin, muss ich dir ehrlich sagen.

Och, so schlimm ist es gar nicht, man kanns überleben, hehe. Ihr habt ja ein paar Line Up-Probleme gehabt, zum Beispiel ist euer alter Drummer raus. Wenn ich mal ganz wild ins Blaue reinraten soll, würde ich sagen, dass er der geheimnisvolle Bursche hinter Isegrim ist. Richtig?

Ja, richtig.

Möchtest du dazu irgendwas sagen?

Nö, hehe.

Wieso ist er ausgestiegen?

Ich kann und will hier nicht für andere Personen reden, aber ich denke mir, dass es wegen den vielen Touren war, die sich nicht mit einem normalen Leben kombinieren lassen und wegen musikalischen Gründen war. Ich weiss es aber nicht, da musst du schon ihn fragen. Ich mag mich nicht in andere Personen hineinversetzen und hier spekulieren. Ein paar Leute haben aber sicher gedacht, dass wir daran kaputtgehen, aber wir sind wieder hochgekommen nach den ganzen Splits. Aber wir sind besser denn je, es war wie eine Neugeburt?

Nun habt ihr auch nur noch einen Gitarrist, beeinflusst das den Sound von euch in der Zukunft?

Nein, wir werden jetzt auch zu viert bleiben. Wir haben übrigens einen neuen Schlagzeuger aus Berlin, der aus dem Death Metal-Bereich kommt und das ganze auch hauptberuflich macht. Stefan hat eine gute Gitarrenanlage wenn er live spielt, im Studio nehmen wir sowieso mit zwei Gitarren auf, aber die Livedarbietung leidet darunter nicht.

In eurem Promozettel herrscht eh ein wildes Chaos, was Schlagzeuger angeht. Im Infosheet steht ein Blizzard drin, auf der Rückseite der CD ein Raziel. Wer ist es denn nun?

Beide weg, hehe. Das war ganz konfus, der Blizzard ist vom Bund eingezogen worden, das war ein ziemlicher Lotterlurch. Zwei Wochen vor der Tour hat er sich plötzlich nicht mehr gemeldet. Raziel ist sowieso Student, der kann nicht groß auf Tour gehen. Der Stefan Müller von Evereve hat uns einen Session-Drummer aus Berlin angeboten, der fünf Tage vor der Tour gekommen ist. Das hat ihm dann aber wohl gut gefallen. Er hat früher bei Orth aus Berlin gespielt. Ich will jetzt noch nichts bekannt geben, aber es sieht so aus, als ob das unser neuer Schlagzeuger wäre, die anderen beiden sind definitiv nicht mehr dabei. Es ist halt auch schade für die Fans, weil es immer viel Verwirrung ist, aber was willst du machen? Du kannst ja keinen zwingen, hehe.

Ihr habt zur ‚Infernal...' ein ziemlich legendäres Interview im Legacy gegeben. Wie stehst du mittlerweile zu dem Interview?

Ach du, es sind mir ziemlich viele Sachen egal geworden. Die, die uns scheisse finden, die lachen darüber. Für die ist das ein gefundenes Fressen. Aber ich denke, wenn du dich - du bist ja selber Interviewer - mit den Fragen auseinandersetzt und wie er es geschrieben hat - er hat ja den Originalton vom Telefon wiedergegeben, ohne etwas zusammenzuschneiden (Mark bezieht sich auf die übliche Arbeitsweise die gröbsten grammatikalischen Entgleisungen zu verbessern ;-) - Christian)... ich war doch recht überrascht. Heute würde ich so ein Interview gar nicht mehr geben, würd "Leck mich am Arsch" sagen und auflegen. Aber im Prinzip stört es mich nicht, denn die, die uns sowieso lächerlich finden, die lachen natürlich drüber, aber ich bin nicht dazu da, um die Leute zu bekehren. Thor Wanzek hat mir eine Mail geschrieben, dass ihm das selber auf den Arsch geht und er will keinen Krach mehr... na ja, was weiss ich?

Im aktuellen Legacy habt ihr ja wieder ein Interview, diesmal allerdings mit Diana Glöckner. War das eine Bedingung von euch?

Sagen wir es so, wir kennen Diana gut, wir können gut mit ihr zusammenarbeiten. Sie ist uns gegenüber objektiv. Thor Wanzek ist ja beim Legacy eh nicht mehr dabei. Was bringt mir das, mit jemandem ein Interview zu machen, der uns eh nicht leiden kann? Da kommt dann ja nur Verarsche raus.

Lass uns noch kurz über die Tour reden. Was war deine Lieblingsband vom Billing?

Lieblingsband würde ich Mortician sagen, aber von den Typen her. Die fand ich klasse, die Musik war auch geil. Die intensivste Band waren meiner Meinung nach Vader.

Wie fandest du Bal-Sagoth?

Auch nicht schlecht, aber es ist halt scheisse als erste Band zu spielen. Ich kann jetzt nicht sagen, wen ich scheisse fand, weil ich fand nichts scheisse. Auch die Leute waren so angenehm allesamt. Deswegen kann und würde ich nichts schlechtes über die Bands sagen, die Stimmung war einfach unheimlich.

Die Bühnenshow habt ihr auch zurückgefahren, kein theatralisches Ans-Kreuz-Binden mehr, lag das nur an der Spielzeit?

Nein, das werden wir in Zukunft auch machen. Uns haben viele Leute angegriffen und gemeint, wir würden den Black Metal verarschen. Aber wenn das so wäre, würde ich Mystic Circle ja selber nicht ernst nehmen. Wir wollten einfach den Leuten etwas bieten, weil wir auf geile Shows stehen wie bei Alice Cooper. Die Leute haben das aber irgendwie nicht gerafft, also wieso sollen wir uns die Mühe machen? Außerdem denke ich, dass die Musik zählt und deswegen sollen die Leute zu uns kommen. Wir machen jetzt eine aggressivere Live-Show.

Es lag aber nicht daran, dass es euch selber zu merkwürdig wurde?

Es lag einfach daran, dass wir uns sagten "Es ist an der Zeit, durch Mucke zu glänzen, durch eine aggressive, geile Show." Das war der Hauptgrund.

Kann es sein, dass ihr - wo euch die Black Metal-Fans nicht akzeptieren - eben darauf umgestiegen seit, "Dark Satanic Metal" zu machen, um so eine Art Kompromiss anzubieten?

Nein, wir machen die Musik schon immer. Wenn du die anderen CDs hörst, waren die auch schon immer melodiös. Was den Gesang angeht, habe ich auch auf dem ersten Demo schon mehr Death Metal-lastig gesungen. Kompromisse gehen wir da keine ein. Wenn du welche eingehst, dann kannst du auch zu der Sache, die du machst, nicht mehr stehen. Natürlich versuchen viele Leute, uns irgendwie reinzulabern - bis auf die Plattenfirma, die muss ich echt loben deswegen - aber wir machen unser Ding, das was wir uns vorgenommen haben.

Ihr seit in Offenbach besonders herzlich empfangen worden und mit Bechern beschmissen worden, oder? War das während der ganzen Tour?

Das ist mehr in den Westen gewandert, die Leute werden auch immer weniger. Es waren in Offenbach drei oder vier Leute... das sind aber meistens auch noch Kinder. Einer hat in Offenbach einen Becher geschmissen, den habe ich aber nicht gesehen, weil die verstecken sich dann ja auch gleich so schön. Einen habe ich mir nach der Show noch gekrallt, das war so ein Kind, das sich fast in die Hosen geschissen hat, ist dann aus der Halle rausgerannt und hat mir den Mittelfinger gezeigt. Ich habe auch schon oft auf Konzerten gesehen, dass die Fans solche Leute rausziehen und sagen "Hau ab!", weil es sie natürlich stört, wenn sie Geld fürs Konzert bezahlt haben und es ihnen dann jemand so vermiest.

Wie alt bist du?

An die 30.

Was denkst du dir, wenn du mit deinen 30 Jahren dastehst und ein 16jähriger kommt dir im Nargaroth-Shirt (Ein-Mann-Band von Karnwulf, der in Interviews sehr eindeutig über Mystic Circle spricht, und dessen Label No Colors Anti-Mystic Circle-Shirts druckt) entgegen und erzählt dir, dass du den Black Metal verrätst?

Eigentlich gar nichts mehr, ich achte da nicht mehr drauf. Es ist für mich lächerlich. Als ich 16 war, war ich auch extremer drauf. Die Leute kennen uns nicht persönlich, da ist es natürlich klar, wenn so ein Idiot kommt und bisschen Propaganda macht, dass sie ihm folgen können. Was die Leute nicht sehen, ist dass er damit genau das erreicht hat, was er wollte, nämlich Werbung machen. Die Leute sollen doch machen, was sie wollen. Wenn du ein Ziel hast, dann gehst du auf das Ziel zu und brauchst nicht großartig neben dich zu gucken.

Fühlst du dich der Black Metal-Szene noch zugehörig?

Natürlich, wir haben genug Fans, die auf Black Metal stehen. Nur sind unsere Fans meistens toleranter und fühlen sich jeder Szene des extremen Metal zugehörig. Ich persönlich fühle mich einfach dem Heavy Metal zugehörig, da gehört Black Metal eben dazu. Wir wollten aus diesem Black Metal-Klischee raus, weil es uns zu eingeschränkt geworden ist. Das Gebiet Black Metal hat am Anfang keine Grenzen gehabt, der Death Metal war zu der Zeit nicht mehr satanisch, sondern mehr sozialkritisch. Mittlerweile ist er aber auch zu eingeschränkt, wir machen jetzt deswegen Dark Satanic Metal.

Wie siehts denn mit deiner Philosophie aus? Hat die sich auch geändert oder sagst du nach wie vor, dass du Satanist bist?

Ich bin Antichrist, das hab ich auch schon immer gesagt. Das ist auch so geblieben. Ich bin gegen jede Art von Religion, das heisst aber nicht, dass ich keinen Respekt vor Lebewesen habe. Ich bin gegen alles, was dich irgendwie einengt oder beeinflusst, nur um Macht zu bekommen. Darum geht es ja meistens, die Leute zu verängstigen um eben mehr Macht zu haben.

Dann würde mich noch interessieren, was du privat für Musik hörst.

Im Moment... die neue Immortal, die Misfits. Meine Alltime-Faves sind alte Helloween, Alice Cooper, Slayer... älteres Zeugs.

Ihr habt ja auch live ein Slayer-Riff geborgt?

Ja, das spielen wir an der Stelle aber eigentlich immer, weil wir den Originalzwischenteil von ‚Medina' scheisse fanden, hehe.

Letzte Worte?

Danke an die Fans und ich hoffe, dass alles bisschen toleranter wird. Ich hoffe, dass euch unser neues Album gefällt, Ende September gehen wir auf Tour... so wie es aussieht mit Enthroned und Ancient Rites. Zwei Auftritte werden wahrscheinlich nur in Deutschland sein.