Wacken 2001


(oder: Vom Mensch zum Tier in drei Tagen)

Die Anfahrt

Los ging es für mich statt wie geplant am Mittwoch erst am Donnerstag mittag, da das legendäre Brückner-Mobil hoffnungslos überfüllt war. So traten wir also zu dritt die weite Reise in den hohen Norden an und zwar mit einem Diesel-Kombi, dem einige hügelige Gegenden schon schwer zu schaffen machten.
Versüsst wurde uns die, mit recht peinlichen Verfahrern gespickte, Fahrt mit Slayer, Cannibal Corpse, Nile und weiterem Getrümmer... wär ja auch eine feine Sache gewesen, aber da sich unser Trip letztendlich auf fast 10 Stunden erstreckte, wäre ein wenig Abwechslung nicht übel gewesen. Aber es gab ja zum Glück noch die Rettung in Form der Pounding Metal-Sampler, hehe. Und besser als nur mit Radio, wie unsere Vorhut, war es allemal.
Nachdem wir auf der Fahrt näheren Kontakt mit MäcDonald's, zugenähten Mumpeln und verwirrenden Abfahrtschildern, sowie sich ein wenig widersprechenden Wegbeschreibungen hatten, erhielten wir noch die frohe Botschaft, daß der Rest von uns keinen Platz freihalten konnte... irgendwie war die Stimmung auch ziemlich im Arsch, als wir irgendwann nachts auf dem Zeltplatz G (!) einfuhren. Hier bekam ich zum ersten Mal eine dumpfe Ahnung, daß das Festival dieses Jahr ein klein wenig überfüllt sein könnte.

Die verzweifelte Suche

Bewaffnet mit einem Handy, dessen Akku in den letzten Zuckungen lag, ging es nun also daran, die anderen zu finden. Gleich vorneweg: Es scheiterte kläglich. Ob nun am Eingang zum Zeltplatz G (wie Gothic Metal), D (wie Death Metal) oder gar B (wie Black Metal), der Regen tat sein übriges und so verkrochen wir uns unverrichteter im Auto, zum Glück hatten wir ja den Großteil der Biervorräte.
Am nächsten Tag gelang es uns auch tatsächlich unter Anwendung einiger Voodoo-Zauber, die ich hier lieber nicht näher erläutern möchte, dem Handy noch einen verzweifelten Anruf zu entlocken und wir trafen die restliche Bande am Hot Dog-Stand des Zeltplatzes D(eath Metal). Es folgten die üblichen Begrüssungsarien bevor wir uns an die wichtige Aufgabe machten, den nicht gerade kleinen Kombi noch irgendwie auf den Zeltplatz D zu quetschen. Es kam, wie es kommen musste: Zwei von uns, darunter natürlich ich, liefen dem fahrenden Auto hinterher, die beiden im Auto fuhren zu schnell, wie verloren sie und hatten keine Ahnung, wo denn nun der Zeltplatz war, wo die so frohen Mutes hinbretterten. Die notdürftige Beschreibung "Bei dem Pavillon mit der Fahne drauf" war auch zu recht wenig zu gebrauchen. Über die schmutzigen Dinge, die wir beide dann noch machen mussten, um dem Handy noch ein 10 Sekunden-Gespräch zu entlocken, hülle ich lieber den Mantel des Schweigens, dafür werde ich mich bis an mein Lebensende schämen.
Irgendwie gelang es dann aber doch, wir waren am Zelt, bestaunten die vernichteten Gras-Vorräte und setzten uns sofort an die erste Büchse Ravioli, natürlich stilecht geöffnet mit einem schartigen Messer, zu dessen Sauberhaltung nur ein kurzes über das Gras schleifen nötig war.

Der Freitag
oder: Hey, seh ich heut doch noch ein paar Bands?

Wenn ich mir einen von diesen Pressepässen besorgt hätte, dann hätte ich mich eigentlich zu Tode schämen müssen, denn bis zum Wizard-Auftritt verzichtete ich uneigennützig auf sämtliche Aktivitäten auf dem Festival-Gelände und beschränkte mich darauf, am Zelt eine Dose Ravioli und italienische Nudelsuppe nach der anderen im mich reinzuschaufeln und zu beten, daß ich bis Sonntag mittag nicht scheissen müsste. Wenigstens in der Beziehung war mir das Schicksal hold. Und auch das eine oder andere Bierchen unseres 7 Paletten (!!) umfassenden Vorats wurde vernichtet. Während des gemeinsamen Essens wurden auch sofort wohlige Erinnerungen an kindliche Lagerfeuer-Erfahrungen und Raubtierfütterungen im Zoo wach. Aber: Noch konnte man uns eindeutig als Menschen erkennen, sowohl vom Aussehen als auch vom Verhalten her.
So, frohen Mutes machten wir uns dann also gegen Abend zu zweit aufs Gelände um Wizard zu erleben und was dann kam ist ja mittlerweile bekannt. Wizard mussten ihren Auftritt absagen, weil Volkers Frau am Tag zuvor ihr Kind verloren hat. Eine Erklärung, die - denke ich - jeder nachvollziehen konnte. Drummer Snoppi enterte die Bühne, um die Nachricht zu bestätigen. Stattdessen spielten nun Silent Force, denen ich nicht allzuviel abgewinnen konnte. Technisch war zwar alles wunderbar, aber der Power Metal der Jungs, die sich sehr spielfreudig zeigten, war nicht so mein Ding. Erinnerte mich ein wenig an Kamelot. Oh und irgendwie fand ich es auch peinlich, daß sich DC Cooper erst stückchenweise entblätterte (sehr zur Freude der weiblichen Anwesenden, nicht jedoch zu meiner, sorry) und dann wieder ganz neue Sachen anzog. Naja, wem's gefällt...
Dann trafen wir uns mit dem Rest von uns (sinnigerweise hatten wir als Treffpunkt den Ausgang festgemacht, da wir nicht wussten, daß irgendein Trottel die WET-Stage außerhalb des Geländes gelegt hat. Naja, auch diese Hürde war überwunden und nach dem Ausfall von Wizard sollte nun eigentlich der Höhepunkt des Freitags kommen und zwar in Gestalt der Thrash-Institution von Overkill. Selbige legten auch gleich richtig los mit 'Evil Never Dies' und liessen die Stimmung nicht abreissen. Songs wie 'Rotten To The Core', 'In Union We Stand' und natürlich 'Fuck You!' sind nun mal vor allem live richtige Knaller. Trotzdem gingen ein böse zugekiffter David und ich zur WET-Stage, wo wir uns noch Behemoth anschauen wollten. Effektiv haben wir uns das Zelt angeschaut, weil da hat beim besten Willen keine Sau mehr reingepasst. Ob das Festival überfüllt war? Möglich wäre es gewesen...
Also machten wir uns wieder aufs Gelände, um uns mit den anderen bei Mortician zu treffen. Dumm nur, daß eben dieser David von einer Sekunde auf die andere beim Sprung über einen der vielen Pisse-Bäche verschwand. Ich weiss nicht, wo er hin ist und er wusste es am nächsten Tag auch nicht mehr. Ob er wohl reingefallen ist? Möglich wäre auch das gewesen...
Naja, wenigstens ich fand den Anschluß an den Rest unserer Bande und sollte nun zum ersten Mal mit Mortician konfrontiert werden. Also ich weiss nicht, alle die meinen, die Band wäre totale Scheisse haben schon irgendwie recht, aber alle die meinen Mortician wären Kult, haben genauso recht. Jeden Song mit einem 2minütigen Horrorfilm-Intro einzuleiten, einen langsamen Part mit ultra-verzerrtem Bass zu spielen, dann ein wenig megatief ins Mikro zu grunzen und den Song mit einem Blastbeat zu beenden, das ist schon irgendwie genial. Genial war auch das zombie-mäßige Stage-Acting von Bassist und Sänger Will sowie die Ansagen "This next song is for all you sick fucks out here... this song is called grrlsdgfsdlfhsdl". Hat auf jeden Fall tierisch Laune gemacht.
Während sich der Hauptteil von uns noch Desaster anschauen wollte, ging ich mit Michael noch zu Helloween und was soll ich sagen, es war ziemlich scheisse. Nicht nur, daß der Sound übelst war (und man selbst bei alten Songs wie 'Dr. Stein', 'Eagle Fly Free' oder 'How Many Tears' raten musste, was das jetzt für ein Song war), auch die Band selber wirkte ein wenig unmotiviert. Naja und daß die Stimme von Andi Deris sowie sein beklopptes Stage-Acting nicht zu Helloween passen (im ersten Fall), bzw. einfach scheisse sind (im zweiten Fall) kam noch dazu. Einzig und allein bei 'Future World' kam so etwas wie Stimmung auf. Selbst die "Gitarre in die Luft werf und auffang"-Aktion wirkte viel zu sehr vom Reißbrett genommen.
So, nun hatten wir aber wirklich genug Bands an diesem Tag gesehen und machten uns zurück zum Zelt, wo einige Leute noch fleissig gewisse Pflanzen konsumierten, wir faszinierende Dinge über die Anal-Akrobatik des Herrn Brückner erfuhren (die Bananen vorher gründlich waschen, sonst brennt das Arschloch vom Spritzmittel danach wie Feuer und man kriegt blutigen Durchfall - kein Scheiss, wir haben alles auf Band!) und uns Saxon anhörten. Letztere schienen einen wirklich geilen Gig hingelgt zu haben, denn zumindest die Setlist bestand fast nur aus Klassikern. Ob nun 'Crusader', 'Princess Of The Night', 'Strong Arm Of The Law', 'Wheels Of Steel' oder als Zugabe 'Denim And Leather'... Klassiker, wohin man auch blickt.
Die Erkentnis, daß Dimmu Borgir irgendwie scheisse klangen ereilte uns dann gleichzeitig mit der Erkenntnis, daß die Nächte da oben im Norden doch saukalt waren.

Der Samstag
oder: Vorsicht, jetzt wirds richtig eklig!

Die nett gemeinte Mail der Jungs von Circle Of Grief, sich doch mal ihren Auftritt um 10:00 morgens anzuschauen, war genau das: Nett gemeint, aber sicherlich nicht ernst, hehe. Nee, wir haben auch am Samstag mal wieder auf Legenden wie Dark Tranquillity, Culprit, Annihilator, Rage und Artch (naja obwohl... Legenden?) verzichtet, obwohl der harte Kern keine Hemmungen hatte, sich gleich nach dem Aufstehen von Cryptopsy, Deströyer 666 und Krisiun zubrettern zu lassen. Die Softies unter uns saßen am Zelt und schaufelten weiter Ravioli und Nudelsuppe (immerhin hatten wir mal so eben 20 Dosen von dem Zeug). Zwischendurch stand noch ein kleiner Einkauf auf dem Metal Markt auf dem Programm, bevor es gegen frühen Nachmittag langsam schlimm wurde. Eine namentlich nicht genannte Person konnte ihren Darminhalt doch nicht mehr halten, traute sich jedoch auch nicht auf die Dixies (sehr verständlich), so daß kurzerhand in einem Eimer geschissen wurde. Das sollte sich im weiteren Verlauf noch zweimal wiederholen, mit jeweils abnehmender Hemmschwelle, beim letzten Mal kackte er nämlich fröhlich mitten in der Runde in seinen liebgewonnenen Behälter. Dieselbe Person schiffte sich dann noch begeistert an den eigenen Kofferraum und auf den Boden (der ja nach wie vor zur Reinigung des "Dosenöffners" gebraucht wurde... bäh!). Eine andere Person übernahm das animalische Verhalten frohen Mutes, und lief stundenlang mit einem aufgeblasenen Kondom in den Haaren rum, bevor er im Zelt verschwand, dieses sorgfältig verschloss und das Zelt danach merkwürdig rhythmisch wackeln liess. Wir ahnten böses und tatsächlich flog nur wenige Minuten später ein mit weißer Flüssigkeit gefülltes Kondom im hohen Bogen aus dem Zelt und landete... ähm... beim Eimer. Aufgrund so rätselhafter Dinge wie Windrichtung, -stärke und Fliehkraft sah sich David mit "einigen Tropfen" dieser Flüssigkeit konfrontiert. Wie gesagt, es wurde eklig. Übrigens sollte nicht unerwähnt bleiben, daß aus der Öffnung eines mit Ravioli, Nudelsuppe und Bier gefüllten Darms nach zwei Tagen recht eklige Dämpfe entweichen, die vor allem in einem Zelt für ziemliche Panik sorgen können.
So, abends gingen wir dann (auf zwei Beinen, so sehr hatte uns das animalische Verhalten noch nicht) zu Grave Digger, die mir auch recht gut gefielen, auch wenn ich nicht von einem Überhammer sprechen würde. "Neu"-Gitarrist Manni Schmidt schlug sich zwar recht wacker, aber mit Uwe Lulis haben mir Grave Digger um einiges besser gefallen. Auszusetzen gab es auf jeden Fall kaum etwas an der Setlist, außer daß 'Mordred's Song' nicht gespielt wurde, fanden sich vor allem die Klassiker von den letzten drei Alben wie 'Dark Of The Sun', 'Scotland United', 'Knights Of The Cross', 'Lionheart', 'The Round Table' und natürlich 'Rebellion', bevor mit 'Heavy Metal Breakdown' Schicht war. Ein solider Gig, an dem viele Menschen ihre Freude hatten (obwohl das unverständlicherweise auch bei Helloween so war).
Aber dann... aber dann... Jag Panzer betraten die Party Stage und rulten ohne Ende. Die ersten beiden Songs ('Generally Hostile' und 'Licensed To Kill' von Ample Destruction) habe ich zwar verpasst und kam erst zu 'Future Shock' an, aber dieser Auftritt war einfach durch nichts zu überbieten. Die Setliste beeinhaltete auch noch 'Black', 'Iron Eagle', 'Chain Of Command', 'King At A Price', 'Face Of Fear' sowie 'Frozen In Fear' und 'Take To The Sky' vom neuen Album 'Mechanized Warfare'. Unverständlich ist aber einfach, daß DER GÖTTERSONG der Band, 'Shadow Thief' nicht gespielt wurde, aber sonst war einfach alles perfekt. Die Gesangsleistung des Tyrant, sein Stage-Acting... ach was red ich, es war einfach alles genial, geil, perfekt (bis auf das Fehlen von 'Shadow Thief'!).
Bis Mitternacht ging es dann zurück zum Zelt, bis auf Michael, der unbedingt noch In Flames, Nightwish und Hammerfall anschauen wollte. Seinen Erzählungen zufolge waren alle drei geil (zumindest bei den beiden letzteren hab ich da aber vom Zeltplatz her ganz andere Dinge gehört) und Tarja von Nightwish trug rotes Leder. Hoffentlich gibt es davon Fotos!
Die oben beschriebenen Ekel-Aktionen wurden dann noch ein wenig weitergeführt, bevor wir uns gegen Mitternacht zu den beiden Headlinern des Tages, Motörhead und Sodom machten. Naja, viel gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen, von Motörhead war ich nie ein großer Fan und konnte auch an diesem Auftritt nichts weltbewegendes finden. Lemmy bewegt sich eh keinen Meter und die Songs haben mich auch noch nie so richtig vom Hocker gerissen. Außerdem war ich zu besoffen um den Bomber zu bemerken.
Bei Sodom war ich eh schon total am Ende, die Jungs gefallen mir musikalisch aber schon besser als Onkel Lemmy. Naja, es gab natürlich die ganze Klassiker-Palette von 'Remember The Fallen', 'Wachturm', 'Stumme Ursel', 'Agent Orange', 'Outbreak Of Evil' und so weiter, aber bei mir wollte der Funke nicht mehr so recht überspringen, so daß David und ich uns zurück zum Zelt machten, dort noch die Restbestände Ravioli und Bier beseitigten, bevor auch für uns entgültig Schicht war.

Die Rückfahrt
oder: Stau

Die Überschrift sagt alles...

Fazit:

Es tut mir ja leid, aber obwohl das Wacken Open Air recht ordentlich war, gibt es doch zwei Punkte, die mich total gestört haben: Zum einen ist es verdammt idiotisch, die WET-Stage außerhalb des Geländes zu verlegen, zum anderen war das Open Air hoffnungslos überfüllt. Da frage ich mich doch, wieso ständig von Holger gepredigt wird, daß das Festival nicht mehr grösser werden soll, wenn jetzt weit über 30.000 Leute da waren.